Tourtagebuch Frankfurt/ Main - Barcelona 

15.06.14  Erste Etappe: Rodgau-Heidelberg (127 km/ 2100hm)
Ich hab bei "Sandale" übernachtet mit Roberto, Gaby und Matti - sein Name ist Programm - der trägt tatsächlich nur Sandalen, seine Mutti rief gleich beim Türöffnen:"Sie kenn ich aus Facebook, Stefan hat mir da alles gezeigt", und auch das Frühstück ließ nicht zu wünschen übrig. Sehr herzlich das Ganze - danke "Schlappe", war schön bei Dir. Und dann ging es auch schon los zur Radsporthalle nach Jügesheim. Ich war total nervös - schlimmer als vor einem Rennen. Ich kannte jeden nur aus Facebook, wusste nicht, ob meine Schulter diesen Tripp aushalten würde und ob die 6-8 Wochen "Hau-ruck-Training" überhaupt ausreichend waren. Kurzum, ich hab nur gedacht:" Du musst völlig bescheuert sein!" - dann auch noch erste Gruppe. Grundsätzlich bin ich zwar für ungewöhnliche Schnellbesohlungsabenteuer bekannt, aber das hier war dann oberster Grenzrand auch bei mir. Kaum in Jügesheim angekommen, fand ich in dem Menschenauflauf erst keinen Parkplatz und dann hing mir auch gleich noch die Kamera von Gropperfilm in der Seitenscheibe und verließ mich nicht mehr wirklich. Besi suchen, Sachen übergeben, empfangen, Gepäck wohin und Rad zusammenbauen - ich kam nicht einmal mehr dazu einen Kaffee oder ein Stück von den Unmengen an Kuchen zu essen, die für diesen Anlass gebacken wurden. Aber als ich Kathi auf dem Parkplatz traf, hab ich mich plötzlich sicherer gefühlt. Da war gleich so etwas "Vertrautes" und eigentlich haben wir uns auf Anhieb super verstanden. Den Startschuss gab pünktlich der Bürgermeister und ich rollte in der ersten Gruppe ab Richtung Heidelberg. Die Strecke war sehr schön, einige Berge und ich konnte konditionell mit der Gruppe mithalten, jedoch bekam ich in Anstiegen Probleme, da ich nicht richtig am Lenker ziehen konnte und alles aus den Beinen treten musste. Wiegetritt ging garnicht und so fing die Überlastung langsam an. Heidelberg war eine wirklich schöne Stadt. Die Sonne schien und dennoch war es nicht zu heiß - bestes Radwetter.


16.06.14 Zweite Etappe: Heidelberg - Offenburg (162km/ 2000hm)
Im Vergleich zur ersten Etappe kam ich gut den ersten großen Anstieg hoch. Andreas fuhr mit mir gemeinsam und motivierte mich super, obwohl wir beide die letzten im Feld waren. Es geht halt nicht schneller mit dem Handycap - zum Glück komme ich vom Mountainbiking und kann lange im Sitzen fahren. Oben auf dem Berg gab es dann wieder eine super Verpflegung, die keine Wünsche übrig liess. Alles gut gekühlt im gesponserten Kühlwagen, über Kuchen, Obst jeder Art, Cola bis hin zu Haribo. Heiss war es und die 160 km nahm mir dann die Schulter am letzten Berg doch etwas übel. Zudem wäre ich in einer Abfahrt fast schwer gestürzt, als ich den Berg schnell herabfuhr und ein Fahrer mich zweimal schnitt, weil ein weiterer Fahrer von uns in eine Hecke gestürzt war. Zwei grenzwertige Bunnyhops durch zwei Sandkuhlen mit dem Rennrad, kurzes Gebet zu Mutti und ich konnte das Rad zum Stillstand bringen. Zum Glück war uns allen nichts passiert. Bis dahin war es sonst eigentlich ein super Fahren und die Landschaft ein Traum - dann "verklemmte" sich meine Brustmuskulatur komplett, ich hatte beim Atmen stechende Schmerzen und quälte mich den letzten Anstieg vor Offenburg hinauf. Andreas bot an zu Schieben - aber das kam für mich nicht in Frage - ich wollte es selber schaffen. Oben kurz ausgedehnt, ging es dann auch gleich weiter bis zum Hotel. Da mir das Wasser und die Riegel kurz vor dem Ziel ausgingen, funktionierte das Team auch hier super. Es wurde einfach im Feld organisiert. Echte Kameradschaft - Danke. Der Abend gestaltete sich wie viele andere auch: Duschen, Physiotherapie und Essen. Ich war froh, dass Markus als Physiotherapeut dabei war - ohne ihn hätte ich die Belastung vermutlich nicht durchgehalten. Muskulär war ich stets überlastet. Die rechte Schulter musste die degenerierte linke stützen, HWS und BWS blockierten des öfteren und Markus brach mich mehrfach beim Einrenken fast durch - hörte und fühlte sich zumindest so an! Danke für die Top-Behandlung!!!


17.06.14 Dritte Etappe: Offenburg - Mulhouse (118km/ 600hm)
Schlappe 118 km und so gut wie keine Höhenmeter - eigentlich gut zum ausrollen, wär ich nicht in Gruppe 1. Da zog man schon gleich fett am Gashebel und sorgte bei mir für ständige Löcher im Feld. Mit Sprints und Fahren ohne Windschatten verpulverte ich heute unsinnig Kraft, die ich noch für die Berge dringend brauchte - ich sag nur "Lorenzo"! :P Nach dem Passieren der deutsch-französischen Grenze wurde es sogar dem ein oder anderen Teamkollegen etwas zu schnell. Spitzen von 400 Watt bei Brückenüberfahrt - joah....ich musste dann auch nochmal mit 40 km/h vorne arbeiten und so fuhr ich mir die Beine wieder fett. Heiss war es und so waren die privat gekauften Erdbeeren der Betreuer im Verpflegungsstopp ganz schnell weg - mmmh!!! Echt toll, was die sich alles für uns einfallen lassen. Ab morgen fahr ich in der 2. Gruppe, denn am Berg bin ich halt deutlich langsamer unterwegs als der Rest in Gruppe 1 und wenn man immer der Letzte ist, macht es weder Spass noch fährt man das Tempo, dass einem noch "guttun" würde. Ich jedenfalls möchte jeden Kilometer nach Barcelona selber fahren und mich in den Bergen in Gruppe 1 nicht vorzeitig platt bzw. ständig an den Rand meiner Verletzungsgrenze. Freu mich morgen mit Kathi ganz ohne Druck fahren zu können und mir auch mal die Landschaft anschauen zu können, ist ja schließlich kein Rennen. Der Moment der Grenzüberschreitung nach Frankreich war schon etwas Besonderes - das Land der Tour de France und das merkte man auch sofort bei den anderen Verkehrsteilnehmern, die deutlich rücksichtsvoller fuhren und vielen Passanten, die uns am Straßenrand zujubelten. Der Kühlwagen steht direkt unter unserem Hotelzimmer - ich schlafe keine Minute !!!


18.06.14 Vierte Etappe: Mulhouse-Luxeuil (131km/ 2400hm)
Der Morgen gestaltete sich wie "täglich grüßt das Murmeltier" - 5:15 Aufstehen - ja nix Urlaub und Ausschlafen: Kathi braucht länger im Bad für Make-up und ich muss Schmerztherapie machen. Das dauert alles etwas. Denkt jetzt nicht: Wieso Make-up zum Radfahren - spinnen die Weiber, nein !!! Wer Kathis Geschichte kennt, der versteht das voll und ganz und wird den größten Respekt vor ihr haben, wie sie mit der Geschichte umgeht. Eine Aknebehandlung verpfuscht seitens einer Hautärztin, die sie im Gesicht entstellte. Schwere Verbrennungen durch einen Laser. Wenn ich sowas wieder höre, geht mein Vertrauen in Ärzte auch weiter den Bach runter. Wie Ihr wisst, kann auch ich von Fehlbehandlungen Romane schreiben. Dazu hat sie noch MS und jammert keine Minute, setzt sich aufs Rad trotz Trainingsmangel und fährt ihr Ding zu Ende. Respekt!!! Sie fährt zum ersten Mal eine solche Distanz und Berge und aus anfänglicher Angst in den Abfahrten ist sie eine echte "Rennmaus" geworden. Wir verstehen uns fast blind. Kein Zoff, kein Gezicke dafür aber tiefgreifende Gespräche und ganz viel Spass. Und trotz der Narben im Gesicht finde ich sie außergewöhnlich schön, denn Schönheit kommt bekanntlich von innen. Frühstück und, na was? Radfahren....ab heute in Gruppe 2 und ich stelle plötzlich fest, dass ich in einem ganz anderen Mikrokosmos bin als in Gruppe 1. Hier sind die 5 Menschen nun in einer Gruppe zusammen, die mit ihren Handycaps das Ding durchziehen. Die eigentlichen "Geschichten" dieser Tour spielen sich hier ab. Die Berge werden freigegeben und jeder fährt sein Ding und so fahren wir alle im individuellen Tempo den höchsten Berg der Vogesen, den Grand Ballon hinauf, halten dazwischen auch einmal zum Schauen und Fotomachen an, warten aufeinander und rollen dann in einer Gruppe weiter. Jeder schaut auf den anderen, wer nicht mehr kann, dem wird mental oder durch Anschieben am Berg geholfen. Eine großartige Gemeinschaft ohne gefühlten Druck mit ganz viel Spass. Und so kommen wir gut in Luxeuil an - trotz satter 23km Anstieg am Grand Ballon - war garnicht so schwer - einfach nur schön!


19.06.14 Fünfte Etappe: Luxeuil - Dijon (150km/ 1350hm)
Eine flachwellige Etappe, die mir wenig ausmacht. Ein Profil, dass ich auch zu hause ständig fahre. Wetter nach wie vor super, einige Plattfüsse in der Gruppe rollen wir flott Richtung Dijon. Wo keine Berge sind, fährt Kathi auch super vorne mit und wir haben richtig Spass auf dem Rad. In Dijon folgte dann das Chaos. Es gab nur rote Ampeln und dann vor dem Hotel keine Parkmöglichkeiten für die Begleitfahzeuge. Markus verfuhr sich in der Stadt und so mussten wir ziemlich lange auf unser Gepäck warten. Die Räder passten auch nicht alle in die Garage vom Hotel. Alles etwas chaotisch. Dafür hatte Dijon eine schöne Altstadt. Worin mich Frankreich aber völlig enttäuschte, war das Essen. Von wegen Land der Gourmets. Restaurants schwer zu finden, zu teuer oder nur Burger und Pommes, Pizza und Pasta, aber kaum unter 20 Euro. Das Frühstück war stets auch so übel....Baguette und Croissant - nicht wirklich nahrhaft für Radsportler mit solchen Distanzen vor dem Bug. Am gesündesten lebten wir in den selbstorganisierten Verpflegungspausen der Tagesetappen. Alex hingegen war das egal - der stopfte sich Unmengen von Power Bar Riegeln rein und ließ das Frühstück einfach aus - so gehts auch :D.


20.06.14 Sechste Etappe: Dijon - Montceau-les-Mines (111km/ 1000hm)
Eigentlich kurz und relativ flach, aber in Gruppe 1 ging "Montezumas Rache" um und so holte die Gruppe uns relativ spät ein und war auch nicht wirklich schneller. Es begann damit, dass wir tägliche Gastfahrer aus Gruppe 1 erhielten, denen das Tempo zu hoch war und die sich bei uns etwas erholen wollten. Wir fuhren durch die "Route de grand Crus" - traumhaft durch die Weinanbaugebiete. Am Ende der Tour ging es auf eine frisch asphaltierte Straße...mmmmmh...klebte das Zeug schön an den Reifen, am Rahmen und in der Hose bei mir. Frischer Teer, noch warm. Also anhalten und Reifen reinigen, um Plattfüße zu vermeiden und dann weiter ins Hotel direkt in der Nähe eines AKW`s - wer weiß, vielleicht macht uns das morgen etwas schneller ? :-)


21.06.14 Siebte Etappe: Montceau-lesMines - Clermont-Ferrand (170km/ 1400hm)
Eine sehr lange Etappe vor der wir erst etwas Respekt hatten, die am Ende aber flott zu fahren war. Wir fuhren bis an den Fuß des berühmten Puy de Dome am Zentralmassiv. Am Abend hatten wir noch einen Termin in der Sporthalle von Clermont Ferrand und trafen dort auf die selbst an MS erkrankte Präsidentin des örtlichen Behindertensportvereins, Marie Claire Gallet, zugleich französische Meisterin im 10m Luftpistolenschießen. Ein sehr herzlicher Empfang. Anschließend ließen wir den Abend in einem Irish Pub ausklingen und ein Teil von uns auf dem Musikfest in der Stadt. Die Jungs hatten dabei ihren Spass und Kathi und ich sorgten dafür, dass alle wieder zurück zum Hotel fanden - auch wenn Markus sein Bett verwechselte und in Robertos landete :P - egal - war ein lustiger Abend, der bei einigen am nächsten Tag mit dem Gefühl gipfelte, dass der Kopf nicht mehr in den Helm passen sollte.

 

22.06.14 Ruhetag in Clermont Ferrand
Von wegen Ruhe...der große Meister Besi hatte zum Kullern aufgerufen...was das heißt? 70-90 km....flach?...hä?...also nach 45 Minuten bergauf machten Kathi, Roberto und ich den Abflug, hatten  1,5 h gerollt und zogen es vor ganz entspannt den Tag ausklingen zu lassen. Erst etwas essen und dann etwas schlafen. Der Kopf musste wieder in den Helm passen und morgen ging es ja auch wieder mit harter Arbeit weiter. Gegen 21 Uhr aufgewacht, bekamen wir noch einen kleinen Hunger, wollte uns einen Happen besorgen. Weder der Hauptbahnhof von Clermont Ferrand hatte eine Pommesbude noch gab es was in der Bar neben dem Hotel. O.K. - dann eben ein überteuertes Papptoast rein, aufs Zimmer und zack hellwach. Zuviel gepennt über Tag, waren wir nicht wirklich müde, hatten dafür aber sehr interessante und tiefgreifende Gespräche. Irgendwann klingelte dann doch wieder der Wecker und der Tourrhytmus lief erneut an!


23.06.14 Achte Etappe: Clermont-Ferrand - Saint Flour (133km/ 2145hm)
Es regnete gleich zu Beginn und wir mussten Regenjacken und Überschuhe tragen. Bis zur ersten Verpflegung war es ziemlich feucht und auch kalt und so wurde in der Pause das Begleitfahrzeug nach trockenen und warmen Klamotten durchgewühlt und sich umgezogen. Kurz danach ging es mehrfach etwas länger bergauf. Ich hatte gute Beine, der Berg war freigegeben und Lorenzo, der Irre, flog wieder davon - ich hinterher. Leider kam die Sonne raus und ich hatte noch die fette Regenjacke an. Fahren im Treibhaus ist garkein Ausdruck. Irgendwann schaffte ich das "Zelt" aufzureißen und gab Gas. Konnte Lorenzo einholen. Die Schulter spielte mit und ich hatte meinen Spass. Lorenzo jedenfalls gab später zu, dass ich ihn ganz schön versägt hatte und das mit Handycap - Respekt. Wir kamen in Saint Flour an - ein sehr schöner Ort, endlich einmal kurze Wege was Essbares noch vor der Physiotherapie zu besorgen. Unser Zimmer hingegen wie "Hello Kitty" - alles pink !!! Stuhl, Bett und Wand - Augenkrebsgefahr - mehr geht nicht !!


24.06.14 Neunte Etappe: Saint Flour - Albi (190 km/ 2870hm)
Ich kam an die Grenze meiner Belastbarkeit bzgl. meiner Verletzung. Mehr als 8 Stunden Stützarbeit, mehr mit rechts als links, 35 C Hitze - es gab eine Badeparty in einem Brunnen und die Etappe nahm kein Ende. Rainer quälte sich über die lange Distanz und musste am Berg geschoben werden. Wahnsinn was der mit täglicher Dialyse hier leistet!!! Lorenzo büchste mal wieder aus und war stumpf weg! Aber der taucht ja irgendwo immer wieder auf - ich sag nur "Lauf Forrest, lauf!" :D Ich hingegen kämpfte mit Schmerzen in der Schulter, war morgens schon mit einem tauben Unterarm und tauben Fingern in der linken Hand gestartet und hatte weder das Gefühl den Lenker kontrollieren zu können, noch konnte ich richtig bremsen.  Wenn man sich morgens schon kein Baguette aufschneiden kann !Muskulär war mein Rücken und mein Schulterbereich irgendwann nur noch zu und die letzten Kilometer quälte ich mich an Rainers Hinterrad ins Ziel. Wenn Rainer hier durchzieht, dann schaff ich das auch!!! Im Ziel wollte ich nur noch vom Rad herunter und aufs Zimmer. Da ich die Nummern nicht erkennen konnte, schleppte ich mein Rad in die falsche Etage. Oben angekommen, konnte ich mich vor Verspannung kaum noch bewegen und schmiss mich auf den Boden, um die Muskulatur zu entlasten. So lag ich da wie ein toter Vogel, aber fühlte mich wie im Paradies: Seit Stunden endlich raus aus dem Verspannungsschmerz. So wie ich da lag, dachtne wohl einige, ich hätte Kreislauf, aber ich wollte da einfach nur noch so liegen bleiben. Irgendwann half mir jemand mein Rad zum richtigen Zimmer zu schleppen und Besi hatte bereits mein Gepäck gebracht. Aufgrund der Gefühllosigkeit in der linken Hand bekam ich den Handschuh selbst nicht mehr ausgezogen und Besi half mir. Die Physio, die dann folgte, war bitter nötig. Die HWS war muskulär so blockiert, dass ich schon üble Kopfschmerzen hatte - so als hätte ich einen Stahlhelm auf. ABER DURCHGEHALTEN - komplett gefahren. Das war mir wichtig. Essen gabs mit Kathi beim Thailänder. Endlich mal gut und günstig und was völlig anderes als das Übliche.


25.06.14 Zehnte Etappe: Albi-Foix (143km/ 1600hm)
Mein Unterarm immer noch taub, aber die Finger wieder funktionsfähig, rollte ich die Distanz bis an den Fuß der Pyrenäen gut durch. Der Anblick aus dem Hotelfenster war gigantisch. Morgen würden wir die Königsetappe über die Pyrenäen nach Spanien fahren. Der letzte Tag in Frankreich - endlich besseres Essen :D! Nach Ankunft hatten wir viel Zeit in der Sonne zu liegen, ich schrieb für Besi den Tagesbericht und am Abend gab es im Hotel ein gemeinsames Essen: Huhn und Reis - aber wo war die Soße ??? Hmmm...zur Entschädigung schmiss Lorenzo für seine Ausreißversuche ein paar Flaschen Wein - "Lorenzos Blut" - der Konsum muss für einige Heldenflüge am nächsten Tag verantwortlich gewesen sein, denn es kamen ALLE erstaunlich gut über die Pyrenäen - nur ich nicht! Hätte davon vielleicht mehr trinken sollen :-)!

 

26.06.14 Elfte Etappe: Foix- Ripoll (161km/ 3800hm) - Königsetappe
Bergauf kann ich, das weiß ich, insbesondere lang bei gleichbleibend hohem Tempo und so fuhr ich bei Freigabe des Anstiegs flott los und schraubte mich Richtung Spanien immer weiter den Berg hinauf. Insgesamt 125 km Anstieg bis es hinunter nach Ripoll gehen sollte. Es lief super. Oliver kam zu mir und ich gab das Tempo vor. Wir beide schraubten uns bis kurz vor die Verpflegungsstation gemeinsam den Berg hinauf. Kurz hinter der ersten Gruppe. Der Rest der zweiten Gruppe war weit hinter uns. Allerdings ging uns Wasser und Riegel langsam zur Neige. Ich hatte ja nur eine 1 Liter Trinkflasche dabei. Nirgends ein Begleitfahrzeug - na super! Halb ausgehungert und dehydriert kamen wir am zweiten Gipfel an und zum Glück stand dort das Begleitfahrzeug der 1. Gruppe. Kurz Wasser aufgefüllt. Gel geschluckt, ging es weiter. Aber wo ist die Verpflegung??? Weit und breit nix zu sehen. Mein Schlüsselbein brannte und ich fuhr gedrosselt bergab. Kurz darauf fanden wir die Verpflegung. Die erste Gruppe war noch da. Wenig später fuhren wir ersten der 2. Gruppe mit Sandale vorzeitig bergab. Eigentlich hatte ich mich warm angezogen - wärmer als alle anderen und dennoch bekam ich akute Probleme bei Regen und starkem Temperaturabfall in der Abfahrt. Anders als die anderen konnte ich nicht einfach laufenlassen, weil mein linker Arm zu instabil ist. Durch das stetige Bremsen, die langsamere Geschwindigkeit, die Belastung des Arms, die Kälte und einer vermutlich leichten Dehydration begann mein Arm in der Abfahrt stark zu zittern. Ich konnte den Lenker kaum noch halten, hielt einmal an und dachte, dass es dann wieder gehen würde. Ich fuhr weiter, aber es wurde so schlimm, dass ich weder das Rad anhalten noch überhaupt halten konnte, der ganze Arm bekam eine Spastik und ich verlor völlig die Kontrolle über ihn. Ich konnte nicht bremsen, es wurde immer steiler, rechts die Leitplanke und links ein LKW. Der Fahrer muss gedacht haben, ich hab sie nicht mehr alle. Mit letzter Kraft konnte ich das Rad bremsen und blieb schräg an der Leitplanke in einer Kurve stehen. Adrenalin, Schock fürs erste....o.k...dann kurz berappelt, sah ich meinen linken Arm völlig ausser Kontrolle. Spastik und Zittern - Panik. Ich versuchte ihn mit der rechten Hand festzuhalten, selbst das war fast unmöglich. Sowas hatte ich noch nie erlebt. Sandale und Co bereits weg, der Rest noch in der Verpflegung bekam ich totale Panik. Plötzlich hielt das Filmteam neben mir - ich war völlig fertig, wusste nicht mehr was ich tun sollte. Der Arm zitterte immer noch heftigst. Ich war nur froh, dass ich nicht mehr allein war. Die Stelle an der ich stand war nicht ungefährlich, aber mir das zu dem Zeitpunkt auch egal - ich wollte nur irgendwie das Rad anhalten. Und so fuhr ich den letzten Berg im Besenwagen mit. 40 Minuten Spastik im Arm. Zum ersten Mal seit langem wusste ich wieder was echte Angst ist. Daher hat es mich auch nicht wirklich gefrustet, die Etappe vorzeitig beendet zu haben. Es war einfach zu gefährlich! Mein größter Respekt geht an Rainer, der direkt hinter der ersten Gruppe in Ripoll ankam - Hammer Leistung!


27.06.14 Zwölfte Etappe: Ripoll - Barcelona (150km/ 2100hm)
Das Wetter war wieder gut, nur morgens noch in Ripoll etwas kalt. Günni, mein alter Radsportfreund, fuhr die Etappe mit. Wir hatten uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Er war in Spanien auf Urlaub mit seiner Frau und schloss sich uns an. Die Gruppe fuhr euphorisch los - für meinen Geschmack etwas zu schnell - die letzten Meter nach Barcelona wollten Kathi und ich etwas "genießen" - für uns war es nicht nur eine Radreise, sondern etwas ganz Besonderes mit Handycap eine solche Reise zu schaffen. Beide Gruppen trafen sich an der Verpflegung und fuhren ab dort gemeinsam nach Barcelona. Leider stürzte Britta noch in der Abfahrt, aber zum Glück erlitt sie nur Prellungen und Schürfwunden. Kurz vor Barcelona kamen erneut ein paar Anstiege und die Tour von gestern steckte noch in den Kochen. Rainer wurde von Besi angeschoben, Kathi und Ralf kämpften sich auch über die Berge. Die ganze Gruppe hielt zusammen - ein schönes Gemeinschaftsgefühl. Und dann hielten wir oben auf dem Berg und sahen auf Barcelona. Das erste Mal, dass mir emotional alles bewusst wurde. Mir war nicht mehr nach scherzen, allbern und reden zu Mute. Ich war völlig in mich gekehrt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich mit einer chronischen Osteitis diese Reise komplett absolviert hatte. Besi veranlasste, dass wir Teilnehmer mit Handycap ehrenhalber als Erste vorn in der Gruppe nach Barcelona einfuhren. Hinten wurde gespasst, vorn bei uns Fünfen war es still. Kathi und ich fuhren nebeneinander. Ihr ging es wie mir. Zum Reden war uns nicht zumute. In dem ganzen Verkehrchaos fuhren wir mit dem Filmteam frontal über jede rote Ampel in Barcelona bis hinunter zum Meer. In meinem Kopf lief die ganze Erkrankung wie ein Film ab - mir kamen die Tränen. Die Tour war leicht im Vergleich zu allem, was vorher ablief. Auf der Tour hatte man immer eine zweite Option: den Besenwagen. In der Krankheit hatte man keine Wahl - man musste da durch. Am Meer angekommen, liefen wir alle ins Meer und badeten ausgelassen in voller Radmontur - feierten ausgelassen unsere Ankunft. Dann hab ich Besi noch zum Ehrenpiraten ernannt - das Zandana steht Dir ausgezeichnet, mein Lieber! Und wenn Du nochmal etwas Verrücktes planst, dann ruf mich an! Ich mach mit Dir jeden Scheiß mit :-)!!!
Wir verbrachten noch einen Tag Sightseeing in Barcelona. Am Sonntag hieß es dann Rückflug nach Frankfurt. Wir Mädels stellten unseren Wecker falsch. Er bimmelte um 4:40 Uhr und um 5 rollte der Bus ab...ahaaaa....ich guck drauf: "Kaaaathi"...aber was soll ich sagen, selbst in der Stresssituation null Gezicke - alles lief ohne viel Worte wie von selbst und so waren wir noch pünktlich unten in der Hotelhalle. Der Flug ging schneller als die Hinfahrt :P und in Frankfurt shuttelte uns Mercedes Benz zur Radsporthalle Jügesheim. Der Abschied fiel so schwer. Ich fühle mich daheim wie ein Fremdkörper. Bin irgendwie immer noch auf Tour. Mir fehlt das Team !!! Noch nie habe ich so einen Teamspirit erlebt und ich war schon in vielen Teams.

 

Wir  haben gezeigt, dass Aufgeben nie eine Option ist, dass es egal ist welche Krankheit man hat oder wie man aussieht, dass man trotz all dem "Berge versetzen kann", wenn man es will. Ich hoffe, wir konnten diese Botschaft weitertragen. Ich werde diese Reise nie vergessen.


Ich danke allen Guides, Helfern, Betreuern, Sponsoren, Organisatoren und Teilnehmern für dieses einmalige Erlebnis. Ich hoffe, dass wir uns noch öfter wiedersehen werden und geschlossene Freundschaften bestehen bleiben. Ich danke Dir Besi, dass Du uns das mit Deiner Idee ermöglicht hast, auch wenn es Dich an Deine Belastungsgrenzen gebracht hat. Das Ergebnis entschädigt sicherlich für all die Strapazen. Und solltest Du wieder einmal etwas derartiges vorhaben, denk an mich, ich helf Dir, wo ich nur kann !!!


Ich freu mich auf ein Wiedersehen am 04.10.14 in Jügesheim zur Abschlussparty !!!

 

Kreiszeitung Verden vom 05.07.2014:

https://www.kreiszeitung.de/lokales/verden/verden-ort47274/monika-reker-nimmt-benefiz-radtour-teil-neuauflage-2016-geplant-3679051.html

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© Monika Reker